Geschichte einer Katze

oder

Wie Zarah unser Maskottchen wurde

RUMS, da saß ich nun hinter Gittern , wieder einmal! Der Tag hatte schon so scheußlich angefangen: Ich wurde aus meinem Versteck geholt und, – wie man so schön sagt – „gewaschen und gebügelt“; kurz: „Chic gemacht“. Dann wurde ich mit meinen Leidensgenossen in diese Blechkiste namens „Auto“ verfrachtet und ab ging es nach Gersdorf. Und weiter: Aus dem Auto in die Halle getragen und dort in einen Ausstellungskäfig gesteckt. Das kannten wir alle schon zur Genüge, auch ich, Zarah Leander of Selinas Dream! Denn auf diesen höchst erstaunlichen Namen hatte man mich getauft. Da können die aber lange warten, bis ich darauf höre. Tja, was also anfangen mit diesem langen Tag. Hinlegen und abwarten heißt wohl wieder einmal die Devise, denn erfahrungsgemäß passiert an diesen Tag nicht sehr viel. Hauptsache, die holen mich nicht andauernd wieder aus dem Käfig, schleppen mich auf die Bühne und zerren dort an mir herum. So was gehört sich einfach nicht. Nur damit die Frau, die mich herumfährt, noch ein paar mehr Schleifen und Metallschrott bekommt – und damit darf ich dann noch nicht einmal spielen. Nein, nein und nochmals nein. Nicht mit mir.

Obwohl: So ein Tag in der Halle hat auch seine guten Seiten. Ist nicht so langweilig wie Zuhause. Leute bleiben stehen und sprechen mich an. Ob ich sie dann beachte oder nicht, kann ich immerhin selbst entscheiden und vielleicht sind ja auch heute ein paar freundliche Zweibeiner dabei.
So verging langsam der Tag. Zumeist lag ich entspannt auf meiner Decke und döste vor mich hin. Schon längst hatte ich es aufgegeben, die Kontrolle über meine eigenwillige Zunge behalten zu wollen und so hing sie mir mal wieder aus meinem Guschel und der Speichel tropfte daran herunter. Plötzlich – irgendwann spät an diesem langen Tag – hörte ich eine weibliche Stimme sagen: „Oooh guck mal – wie niiiiiiiedlich! Die hat ja vielleicht ein süßes Gesicht und dazu noch die heraushängende Zunge und wie sie so stille vor sich hin sabbert.“ HALLO – was ist denn das für eine Ansage? Dann hat sich diese Stimme und noch eine andere mit meiner Futtergeberin unterhalten. Die hat denen doch glatt erzählt, dass ich einen Gendefekt hätte und mich daher niemand haben wolle. ICH eine genetischer Ausfall – Frechheit - bei meinen vielen Preisen. Ich wurde aus dem Käfig geholt und durfte eine Weile bei der einen Besuchs-Frau auf den Arm.
Später sind die beiden Frauen zusammen mit einer weiteren Frau noch einmal wieder gekommen. Die dritte hat mich auch ganz genau angeschaut und dann haben die drei ihre Köpfe zusammen gesteckt und getuschelt. Das Ende vom Lied: Mein gewohntes Leben war schlagartig vorbei! Ab in die Transportbox (eine ganz neue, komfortable)– das kannte ich ja schon. Aber ohne meine Leidensgenossen in ein Auto mit einer anderen Stimme. Hej – was soll das??? Und dann: Raus aus dem Auto und ….. hier riecht es ja völlig anders!
Weiter ging‘s: Ich wurde viele Stufen hoch geschleppt und dann durch eine Tür ein eine fremde Wohnung gebracht. Nun gut, bis dahin ganz in Ordnung – mal was anderes, aber dann: Etwas weißes wuscheliges, etwas schwarzes wuscheliges und ein riesiges schwarzes Monster starren mich an. Wohnen die etwa hier? Ich als so erst einmal losgefaucht und siehe da: Das schwarze Monster verschwindet fluchtartig, der weiße Wuschel ignoriert mich und schaut woanders hin und der schwarze Wuschel ….. ok ok – ich weiß jetzt: Sie ist hier die Chefin und ich sollte mich mit ihr wohl besser nicht anlegen. Also schaue ich höflich zur Seite und beginne mit der Inspektion meiner neuen Wohnung. Ja MEINER Wohnung, denn wenn man Zuhause auszieht, dann zieht man ja in die erste eigene Wohnung und bei mir war es jetzt soweit.

Ein paar Tage später meinte die eine der drei Frauen von der Ausstellung, das ist die, die bei mir wohnt und die im allgemeinen als Cleo-, Willy- oder Maja-Mama bekannt ist, ich würde „müffeln“. Weitere Tage später sprach sie dann schon von „Gestank“ und was die schwarze Wuscheline namens Cleo in unserer Sprache zu mir gesagt hat, möchte ich hier lieber nicht wiederholen.
Ich glaube die noch freundlichste Aussage war der Vergleich mit einem dieser schwarzen Tierchen mit dem weißen Streifen und dem buschigen Schwanz, welcher in bestimmten Momenten sehr stark nach vor über den Rücken gelegt wird!

Ich wurde also wieder mal eingepackt und zur Tante Tierdoktor gefahren. Dort wurde ich von oben bis unten untersucht und man war sichtlich nicht begeistert von mir. Wieso denn nicht?? – Leute, ich habe Preise gewonnen!!!!
Es wurde ein weiterer Termin ein paar Tage später vereinbart und einiges besprochen, was ich nicht verstanden habe. Wieder Zuhause habe ich dann Cleo gefragt, was Zahnsan…. und Kastrairgendwas zu bedeuten haben, aber sie hat meine Fragen einfach ignoriert. Maja, die weiße Wuscheline, hat nur was von einem langen Schlaf gesäuselt. Dann war es soweit und ich wurde wirklich in das Reich der Träume geschickt.
Aufgewacht bin ich wieder zuhause, aber mir taten mein Maul und mein Bauch weh und ich fühle mich wie „Mus im Kopf“. Habe mich dann auf den Balkon geschleppt, weil ich dachte, dass frische Luft mir gut tun würde. Cleo hat mir dann noch hinterher geschrien, dass ich Pestwolke bloß dort draußen ausdünsten solle. Ich finde sie so gemein!
Seither geht es mir aber täglich besser. Es ist so toll, denn ich wusste vorher nicht, dass man fressen kann, ohne dass einem etwas dabei weh tut. Das hätte ich vorher nie geglaubt und dass ich jetzt – lt. Maja – keine Babys mehr bekommen kann, ist mir völlig schnuppe.

Die Frau und der Mann, die bei mir wohnen, füttern mich jetzt immer regelmäßig mit ganz leckeren Sachen. Thunfisch ist vielleicht toll, sage ich Euch. Und Frostpieps bekommen wir auch. Willy „the black monster“ meint die könne man fressen, aber ich weiß nicht so recht!
Und eine Federangel gibt es hier auch. Wenn ich die erwische, dann schleppe ich sie immer schnell in mein Klo, denn ich weiß, dass Menschen da normalerweise Gegenstände nicht so gern wieder rausholen. Ich bin jetzt richtig glücklich, nehme zu und stinke auch nicht mehr. Und die drei anderen felinen Mitbewohner werden mir mit jedem Tag sympathischer. Besonders gern hab ich den großen schwarzen Willi, er ist mein bester Freund geworden. Cleo meint, dass hätte ich Ihren Eltern zu verdanken, die mir ihre Wohnung überlassen haben und den Mamas von Andor und Sissy, die den Kaufpreis entrichtet hätten. Sie meint außerdem, dass ich meine Brötchen zukünftig als Maskottchen verdienen müsse, aber das muss ich mir erst noch einmal gründlich überlegen.
Ach übrigens: Die Cleo-Mama hat nach einigen Tagen meinen richtigen Namen erraten. Sie meinte nämlich ich sei eine richtige Luzie und hat nicht schlecht gestaunt, dass ich darauf reagiert habe und zu ihr gekommen bin. Aber wenn man mich doch bei meinem richtigen Namen ruft!

Nachtrag von der Cleo-Mama:
Der Tierarzt hat bei der ersten Untersuchung festgestellt, dass Zarah-Luzie sich in einem sehr schlechten Allgemeinzustand befand: Deutlich zu dünn, nicht kastriert (trotz Zuchtausmusterung), also mehrfach im Jahr mit Rolligkeit geschlagen und mit extrem schlechten und ungepflegten Zähnen. Von diesen stammte auch der entsetzliche Gestank, der wirklich die Wohnung verpestet hat. Die Bakterien aus dem völlig entzündeten Zahnfleisch wurden beim Putzen über das Fell verteilt und haben dann von dort für diese Ausdünstung gesorgt. Durch die Zahnsanierung konnten insgesamt nur 4 Zähne (von 30) gerettet werden – bei einer erst 2-jährigen Katze! Die anderen haben sich teilweise schon bei bloßer Berührung gelöst, d. h. sie waren völlig weggefault. Tatsache ist, dass diese mehrfach prämierte Katze in Wirklichkeit nur ein armes „Notfellchen“ war und insofern gut als Maskottchen zu unserem Verein passt.

Nur noch ein Hinweis:
Zum „Ankauf“ der Katze wurden KEINE Vereinsgelder verwendet, sondern der Kaufpreis wurde aus den privaten Portemonnaies der Andor- und der Sissy-Mama entrichtet. Die Cleo-Mama bietet kostenlose Kost und Logis und nur die Tierarztkosten werden vom Verein getragen.